Wie kommt es zu einer Affäre?
Die typische Antwort ist: der Partner ist schuld. Hast du dich schon gefragt, welchen Ausweg du aus der Beziehung verwendet hast? Vielleicht hast du dir sehr viel Zeit für dich genommen? Es geht selbstverständlich nicht darum, in dieser Situation auch noch die Schuld ausschließlich bei dir selbst zu suchen. Nicht selten ist jedoch die Frage des „wie“ auch mit einem Eingeständnis von eigenen Fehlern und Auswegen aus der Beziehung verbunden. Es mag sein, dass du Teil des Problems warst, doch mit dieser Erkenntnis wärst du definitiv auch Teil der Lösung. Die Reflektion der eigenen Verhaltensweisen zeigt oft Schutzmuster zur Meidung von Konflikten und einem Aufbau von Distanz, sogenannte Beziehungsausgänge. Diese Ausgänge können Fokus auf Arbeit, Hobbys, Sport, Computerspiele und Alkoholkonsum sein. Am Anfang eines jeden Ausgangs entdeckst du oft, dass dein Partner auch bereits einen Ausgang aus der Beziehung gewählt hat; und das kann die Affäre sein.
Mike und Sheila kamen zu Therapiesitzungen, weil Mike eine Online-Affäre hatte. Seit Langem war er abends müde von der Arbeit nach Hause gekommen und hatte sich zunehmend von Sheila entfernt. Sheila war nur selten da, wenn er heimkam, und so hatte Mike sein Abendessen meist allein gegessen. Versuchte er, mit Sheila über seine Einsamkeit zu reden und darüber, dass er echte Verbundenheit vermisste, verteidigte sie sich und warf Mike vor, er wolle ihre beruflichen Interessen unterdrücken.
„Ich fragte Mike, ob er wirklich wolle, dass ich meinen Job kündige“, sagte sie, „und ließ ihn wissen, dass mich das wirklich wütend machte. Dann stritt Mike ab, etwas gegen meinen Job zu haben, beendete das Gespräch und zog sich zurück. Meist ging er für den Rest des Abends an den Computer, und offen gestanden fühlte ich mich befreit, wenn er aufhörte, mich zu nerven.“
Mike erzählte: „Ich wollte nie, dass Sheila ihren Job aufgibt. Ich wollte nur, dass sie mir nahe war, wenn sie zu Hause war. Es hätte mich ja nicht gestört, wenn sie ein paar Abende außer Haus arbeitet, dann aber wirklich zu mir nach Hause gekommen wäre. Aber auch wenn sie daheim war, schien es, als würde sie nur an ihre Arbeit denken und nie an mich. Jedes Mal, wenn ich versuchte, mit ihr darüber zu reden, landeten wir bei der gleichen Diskussion wie immer. Zu einer Lösung fanden wir nie. Schließlich begann ich eine Beziehung mit einer Frau, deren Werbung ich auf diskreten Websites für Erwachsene fand. Sie ließ mich nie im Stich – wann immer ich mich allein fühlte, war sie da für mich. Natürlich musste ich dafür bezahlen, aber ich spürte, dass sie mir wirklich zuhörte, wenn ich mit ihr sprach. Es war mir nicht wesentlich, ob sie sich tatsächlich für mich interessierte. Wichtig war mir einfach, dass sie für mich da war.“
(vgl. Tammy Nelson PhD (2012), Treue neu denken, individuelle Ansätze als Chance nach einem Seitensprung, S. 51)